Müssen Kommunen die drohende Armutsgefährdung von Kindern ausgleichen?

97 Prozent der Wiener MindestsicherungsbezieherInnen wären von Kürzungen der Mindestsicherung betroffen.

Paare mit drei Kindern würden bis zu 56 Prozent ihres bisherigen Bezuges verlieren. Diese Berechnungen der Sozialabteilung der Stadt Wien standen am Beginn der Sitzung des Sozial-, Gesundheits- und Jugendausschusses des Österreichischen Städtebundes am 24. und 25. September. Der Fachausschuss stand ganz im Zeichen von Kinder- und Jugendarmut – und den Auswirkungen einer Reform der Mindestsicherung, wie sie in einem Entwurf von der Bundesregierung vor dem Sommer präsentiert worden sind.

Sozialstellen müssen ausgleichen

„Besonders in Städten wären Kürzungen bei der Mindestsicherung verheerend“, sagte Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes anlässlich der Sitzung. „Denn wenn das Geld weg ist, werden die Armen nicht weniger, sondern mehr. Was die Mindestsicherung nicht abfängt, müssen andere Sozialstellen der Städte ausgleichen, denn es ist die Pflicht und Verantwortung von BürgermeisterInnen, Notleidenden zu helfen“, sagte Weninger.

Er appellierte an die Bundesregierung, mit Ländern, Städten und Gemeinden das Gespräch zu suchen. „Städte und Gemeinden zahlen fast die Hälfte der Kosten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und haben Expertise und Erfahrung Arbeitsmarktintegration und Armutsbekämpfung. Wenn es darum geht, das soziale Netz in Österreich intelligent weiterzuentwickeln, stehen wir als Gesprächspartner jederzeit bereit“, sagte Weninger.

In Wien wären 97 Prozent der MindestsicherungsbezieherInnen betroffen

Bereits bei einer Pressekonferenz im Juni 2018 hat der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker auf die fatalen Auswirkungen der Vorschläge der Bundesregierung hingewiesen. Insbesondere Kinder und Jugendliche sowie AusgleichszulagenbezieherInnen, Menschen mit Behinderungen sowie AlleinerzieherInnen wären von den geplanten Kürzungen der Mindestsicherung betroffen. Die nun vorliegende detaillierte Analyse der Vorschläge der Bundesregierung (Basis August 2018), die auch die geplante Einführung des Arbeitsqualifizierungsbonus sowie die Deckelung der Mindeststandards mit dem Lebensunterhalt berücksichtigt , zeigt ein noch dramatischeres Bild: in Wien wären von den Kürzungen 97 Prozent der MindestsicherungsbezieherInnen betroffen, rund 27.000 Personen würden überhaupt aus dem letzten sozialen Sicherungsnetz fallen. Besonders gravierend sind die Auswirkungen für Kinder und Jugendliche: 33.900 minderjährige Kinder würden geringere Leistungen erhalten, 6.600 Kinder aus dem Leistungsbezug fallen, darunter auch einige nicht krankenversicherte Kinder. Bereits Paare mit drei Kindern würden zwischen 37 Prozent und 56 Prozent ihres bisherigen Bezuges verlieren.

„Wenn die Bundesregierung die Kürzungen wie geplant durchzieht, handelt sie nicht nur unsozial, sondern verantwortungslos“, so Stadtrat Hacker. „Wer angesichts dieser Zahlen davon spricht, dass man die Mindestsicherungsbezieher aus der sozialen Hängematte holen müsse, hat nichts verstanden. Die Armut, die dadurch entsteht, wird sichtbar und spürbar sein und die Bundesregierung wird die Verantwortung für die Auswirkungen übernehmen müssen.“

Schnellere Integration in den Arbeitsmarkt

Die Leiterin der Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, Agnes Berlakovich, präsentierte indes bei der Tagung des Städtebundes einen weiteren Meilenstein in der Reform der Wiener Mindestsicherung. Gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice Wien wird gerade an der Umsetzung eines neuen Unterstützungsangebots für junge MindestsicherungsbezieherInnen gearbeitet. Künftig sollen junge MindestsicherungsbezieherInnen gemeinsam von AMS und Stadt Wien unter einem Dach betreut werden. Der neue One-Stop-Shop soll im 12. Bezirk entstehen und ein verbessertes Betreuungsangebot wie z.B. Fallmanagement und sozialarbeiterische Betreuung umfassen. Durch eine kontinuierlichere und intensivere Betreuung von jungen MindestsicherungsbezieherInnen soll die Integration in den Arbeitsmarkt schneller gelingen. Besonders Jugendliche mit größeren Vermittlungsdefiziten, familiären Vorbelastungen etc. sollen von der Wiener Jugendunterstützung profitieren. Das Konzept orientiert sich an den Jugendberufsagenturen in Deutschland und soll mit Herbst 2019 umgesetzt sein.

Berlakovich hält diesen Ansatz im Vergleich zu einem undifferenzierten Deckelungs- und Kürzungssystem sowohl sozialpolitisch als auch wirtschaftlich für wesentlich effizienter. „Durch eine konsequente Unterstützung der Betroffenen bei der Integration in den Arbeitsmarkt bei gleichzeitiger klarer Kommunikation und Durchsetzung der Pflichten der Betroffenen, konnte bereits das neue Wiener Mindestsicherungsgesetz bereits ein deutlicher Rückgang bei den jungen MindestsicherungsbezieherInnen erreicht werden. Die Wiener Jugendunterstützung wird diesen Trend noch verstärken.“

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