Wahlfreiheit für Menschen mit Behinderungen
Foto: Nathan Anderson
„Wo und mit wem möchte ich leben? Was soll ich wann essen?“ – solche Entscheidungen zählen zu den Realitäten eines unabhängigen Lebens, die die meisten von uns für selbstverständlich halten. Doch für Menschen mit Behinderungen können zwischen Theorie und Praxis Welten liegen, wie die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) in ihrem neuesten Bericht feststellt. Er untersucht, was das Streben von Menschen mit Behinderungen nach einem unabhängigen Leben in der Gemeinschaft fördert, und was es behindert.
„Alle werden frei geboren und sollten das Recht haben, zu bestimmen und zu entscheiden, wie sie ihr Leben führen möchten“, erläutert der Direktor der Grundrechteagentur, Michael O’Flaherty. „Befähigt man Menschen mit Behinderungen, vollwertige und unabhängige Mitglieder der Gemeinschaft zu werden, können sie alle ihre Rechte wahrnehmen und sich aktiv am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen.”

Der Bericht From institutions to community living for persons with disabilities: Perspectives from the ground („Vom Leben in Einrichtungen zum Leben in der Gemeinschaft für Menschen mit Behinderungen: Die Perspektive der Betroffenen“) stützt sich auf die Erfahrung von Menschen, die am Übergang zu einem unabhängigen Leben direkt beteiligt sind. Dazu zählen Menschen mit Behinderungen und ihre Familien.

Der Bericht hebt den starken Rechtsrahmen in der EU und ihren Mitgliedstaaten hervor, der diesen Übergang stützt, wie z. B. die UN-Behindertenrechtskonvention (CRPD), die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und jüngste Verpflichtungen wie die europäische Säule sozialer Rechte.

Das Fehlen verfügbarer und erschwinglicher Unterstützungsdienste, anhaltende Stigmatisierung und Diskriminierung sowie unzugängliche Orte verhindern jedoch, dass Menschen mit Behinderungen ihre Rechte vollständig wahrnehmen können. Der Bericht zeigt Möglichkeiten auf, wie dem zu begegnen ist, wozu u. a. Folgendes gehört:

  • Alle Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass es klare Ziele und Fristen mit ausreichenden Finanzmitteln, einschließlich EU-Mitteln, gibt, damit Menschen mit Behinderungen in der Gemeinschaft unabhängig leben können.
  • Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten das Bewusstsein für die Vorteile einer eigenständigen Lebensführung schärfen, u. a. auch dadurch, dass sie persönliche Erfahrungsberichte nutzen, um eine positivere Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen zu fördern.
  • Die Mitgliedstaaten sollten alle Bemühungen koordinieren, um ein unabhängiges Leben zu unterstützen und die dafür nötigen Dienstleistungen zu erbringen. Dazu gehört, dass Menschen mit Behinderungen und Organisationen, die direkt mit und für diese Menschen arbeiten, vollständig in die Entscheidungsfindung und Politikgestaltung einbezogen werden.
  • Die Mitgliedstaaten sollten praktische Leitfäden und Schulungen dazu anbieten, wie eine eigenständige Lebensführung am besten zu erreichen ist.
  • Die Mitgliedstaaten sollten spezialisierte Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen anbieten und ihnen den Zugang zu den allgemeinen Diensten ermöglichen, um der breiten Bedürfnispalette von Menschen mit Behinderungen gerecht werden. Dazu müssen ihnen auch die Fähigkeiten und Kenntnisse für ein unabhängiges Leben an die Hand gegeben werden.

Der Bericht stützt sich auf Forschungen vor Ort in Bulgarien, Finnland, Irland, Italien und der Slowakei. Dessen ungeachtet gilt das Verständnis von funktionierenden und nicht funktionierenden Maßnahmen für alle Mitgliedstaaten.

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